Ich versuche mal ein paar Gedankengänge aka Thesen aufzustellen auf Grund meiner bisherigen Beobachtungen:
Punkt 1)
Das Hobby "Computerspiele" im allgemeinen ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen - die Umsatzzahlen der Unterhaltungsindustrie belegen das. Aber es gibt eine Art Altersgrenze bzgl. dieses Themas, was dessen "gefühlte" Wahrnehmung stark beeinflusst. Die liegt IMHO ungefähr bei 40.
In den Anfangszeiten setzte Gaming eine gewisse Affinität zu Computern voraus. Computer sind zwar inzwischen in allen Bereichen des Lebens zu finden. Aber für viele oberhalb der 40 stellen sie nur ein notwendiges Übel dar mit dem man nun seine alltäglichen Probleme lösen muss. Also Nutzung nur soviel wie unbedingt nötig.
Unsere Politiker-Kaste und auch die obersten Ränge in den Redaktionen sind meist deutlich über der o.g. Altersgrenze. Ergo, sie haben wenig bis gar keinen Bezug zu diesem "jungen" Thema. So bilden sich leicht Klischees und Vorurteile. Aber es sind eben auch genau diese Leute, die für ein gewisses Meinungsbild letztlich verantwortlich sind.
Punkt 2)
Verhalten der eSportler untereinander: Es ist ein Gerücht, dass es dort nur mit harten Bandagen zu geht. Im Gegenteil Flaming (Beleidigungen) gelten als schlechter Stil (not mannered). Insbesondere im eSport wird dies in allen Ligen auch entsprechend sanktioniert (Strafpunkte, Ausschluss). Und jeder Verein/Clan der auch nur ein bisschen was auf sich hält, sortiert solche Leute auch konsequent aus, weil es dem eigenen Ansehen schadet.
Ich spiele begeistert Starcraft 2 seit Release und habe mit Sicherheit schon ca. 200-300 Spiele im 2on2 absolviert. Die Spiele wo uns die Gegner beleidigt haben, kann ich an einer Hand abzählen.
Das dies dennoch in nennenswerten Größenordnungen auftritt, ist nicht "Gaming-typisch" sondern hat eher was mit der scheinbaren Anonymität im Internet zu tun. Dieses Phänomen tritt ja genauso in Foren, Facebook und Co. auf.
Das ist eher ein allgemeines Problem der jungen Leute aktuell. Da werden Kraftausdrücke benutzt weil es cool zu sein scheint - ist ja alles nicht so gemeint. Allgemein wird ja konstatiert, dass es eine "Verrohung" innerhalb der Gesellschaft gibt allerdings auch eine Gegentendenz zu mehr Knigge wieder - aber das nimmt man naturgemäß nicht so stark wahr.
Punkt 3)
Du, Joe User, sprachst eine 2. Gruppe an, zu der ich mich auch zähle. Nun ja, das Hobby ist noch nicht selbstverständlich geworden (Altersgrenze). Meine Kollegen auf Arbeit alle 40++, würden niocht wissen wovon ich rede, wenn ich sagen würde "Ach das Fernsehprogramm gestern abend war so bescheiden, ich hab' meine PS3 angeworfen und ne Runde Vanquish gezockt. Also Grafik, Sound und Action ist sowas vom feinsten!". Ich war mal sowas von überrascht, als ich mal in der Firma auf einen Abteilungsleiter (ich bin IT-Revisor) im Raucherzimmer traf und wir zufällig auf das Thema World of Warcraft kamen und das er es aktiv spielt (er ca. 45).
Oder ich habe auch bei EVE Online einen Apotheker (ebenfalls 40++) kennengelernt, der erfreut feststellte, dass sein Azubi ebenfalls dieses MMORPG zockte. Die Generationen wo Eltern und Kinder mit Computerspielen als selbstverständliches normales Hobby wahrgenommen werden, die entsteht erst. So konnte ich während meiner aktiven WoW-Zeit durchaus ein Beispiel erleben, wo Eltern (Mitte 30) und Kind (14++) gemeinsam zur gleichen Zeit in einer Gilde spielten und an Raids teilnahmen. Überhaupt war die Gilde sehr familiär organisiert und wir Treffen uns auch heute noch nach 6-7 Jahren regelmäßig im sogenannten "RL" (real life). Da war vom Wirtschaftsprüfer bei PWC, über angehenden Rechtsanwalt bis hin zum Rettungsassistent und Feuerwehrmann sowie Hausmeister oder Krankenpfleger alles dabei. Und keiner hat sich aufgeregt, wenn der Feuerwehrmann mitten im Raid zum Einsatz musste.
Nur wir - die von dir, Joe User, genannte Gruppe 2 gehen mit unserem Hobby nicht hausieren. Wir spielen einfach und haben unseren Spaß dabei.
Ergo, für uns Gamer ist das Thema selbstverständlich, aber auf Grund der Demographie in unserer Gesellschaft, eben auch für viele mit denen wir es zu tun haben eben nicht, weil sie es selbst nicht kennen. Daher bleibt es Thema innerhalb einer bestimmten Altersgruppe. Siehe Punkt 1.
Punkt 4)
Selektive Wahrnehmung. Es ist bekannt, dass man Negatives besser/länger/intensiver wahrnimmt als Positives. Klassisches Beispiel Stau: die Autos in der Spur neben einen kommen immer schneller (gefühlt) voran, als man selbst.
Punkt 1 und Punkt 3 in Kombination mit den damit verbundenen sehr konservativen Vorstellungen in deutschen Landen führen zu dem Eindruck, das Gaming und eSport mit einem negativen Image behaftet ist. Mir scheint, gerade in Deutschland, braucht es immer vergleichsweise lange bis sich neue Entwicklungen durchsetzen.